UNAVOIDABLE
Interaktive Installation
Christoph Ebner
Wien, 2015
© Haider
Mit UNAVOIDABLE paraphrasiert Christoph Ebner Wechselbeziehungen zwischen datengenerierendem Subjekt und datensammelnden, wie verarbeitenden Medien und geht dabei der Frage der Vermessung des individuellen Alltags mittels durch uns produzierter Daten nach.
Die Installation lässt sich damit als Beitrag zum Diskurs kontemporärer panoptischer Strukturen begreifen:
Wir hinterlassen Spuren verarbeit- bzw. verwertbare Informationen, die verknüpft ein virtuelles Abbild generieren, dessen Zusammensetzung - mitsamt den ihnen innewohnenden Gebrauchswerten, Zuschreibungen etc. - dem Daten produzierenden Subjekt in weiten Teilen unbekannt bleibt.
Aus digitalen Fingerabdrücken werden digitale Spiegel, die sich der individuellen Kontrolle entziehen.
Ein Rückzug, selbst bei bewusstem Verzicht auf die in diesem Kontext häufig bemühten sozialen Netzwerke, Mobiltelefone und dergleichen mehr, scheint kaum noch möglich.
Diese fortschreitende (wenn auch in vielen Fällen noch lediglich potentielle) ubiquitäre Sichtbarkeit des Einzelnen durch Erhebung digitaler Daten, lässt sich analog zu Jeremy Benthams Entwurf des Panopticon1 (1791) als Überwachungs- bzw. Kontrollgebäude lesen.
Michel Foucault übertrug den benthamschen Überwachungsbau auf die Machtstrategien zur Etablierung bzw. Aufrechterhaltung moderner Disziplinargesellschaften.2
Die Individuen der Gegenwart, tragen ihr ‘‘persönliches Panoptikum’’ stets bei sich3, produzieren notgedrungen und/oder freiwillig Informationen über sich, in Form digitaler Daten.
UNAVOIDABLE macht nicht zuletzt auch jene Mechanismen durch die Möglichkeit direkter Interaktion sichtbar:
Vergleichbar mit den Benefits die ein Subjekt durch die Herausgabe persönlicher Daten erzeugt, verhält es sich auch mit Ebners Arbeit: Die Rezipientin setzt einen für sie wahrnehmbaren Prozess in Gang, den sie unmittelbar auf ihr Verhalten beziehen muss, bekommt die Möglichkeit der Interaktion.
Als Ergebnis erhält die Betrachterin bzw. Akteurin kodierte Buchstabenfolgen, die sich aus ihr unbekannten Parametern ihres Agierens in einem bestimmten Rahmen ergeben. Sinnhafte Reihungen der einzelnen Buchstaben sind dem Algorithmus zwar inhärent, geben aber keinen Aufschluss über den zugrunde gelegten Vermessungsprozess.
Dementsprechend folgerichtig ist nicht nur die spezielle Anordnung der einzelnen Bildschirme im Raum4: Der Umstand, dass sich scheinsprachliche, lesbare, jedoch überwiegend sinnfreie Buchstabenfolgen konfigurieren, reizt bzw. nötigt die Rezipientin zum Dekodierungsversuch.
Das, der Arbeit immanente Informationsdefizit der Rezipientin, wird hier zur zentralen Strategie der Offenlegung von Wahrnehmungsverhältnissen zwischen Handlung setzendem Subjekt und (potentiellem) Überwachungsapparat.
Jasmin Raphaela Schabert
1 Im Zentrum eines mehrstöckigen Rundbaus befindet sich ein Wachturm, von dem aus die Aufseher jede Zelle einsehen können. Die Insassen dagegen können ihre Überwacher nicht sehen. Sie wissen nicht zu welchem Zeitpunkt der Turm besetzt ist. Die so erzeugte Unsicherheit, durch potentiell allumfassendes Gesehenwerden, soll zu Wohlverhalten (je nach Zweck der Einrichtung) der Individuen führen.
2 Vgl. Michel Foucault. Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Michel Foucault. Die Hauptwerke. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2008. S. 701. ff.
3 Vgl. Zygmunt Bauman/David Lyon. Daten, Drohnen, Disziplinen. Ein Gespräch über flüchtige Überwachung. Berlin: Suhrkamp, 2013. S. 78.
4 Die Rezipientin muss eine bestimmte Position im Raum einnehmen bzw. in Bewegung bleiben, um alle auf den Monitoren angezeigten, wechselnden Buchstaben sehen zu können.